textil+mode: Frau Eichler, warum ist ausgerechnet die Textilindustrie davon abhängig, dass bestimmte Chemikalien unter strengen Auflagen weiterhin in der EU verwendet werden dürfen?
Dr. Antje Eichler: Die deutsche Textilindustrie produziert zahlreiche Spezialprodukte, die beispielsweise vor Feuer schützen oder in der Medizin im Kampf gegen Viren zum Einsatz kommen. Von Anzügen für Feuerwehrleute über schusssichere Westen für die Polizei bis hin zu medizinischer Schutzausrüstung im Kampf gegen Corona. Unsere Unternehmen stellen zahlreiche Produkte her, die Leben retten. Solche Anwendungen sind durch die aktuellen Beschränkungsvorhaben gefährdet. Im Klartext bedeutet das: solche Spezialtextilien können nicht mehr in Europa hergestellt werden und müssen aus anderen Erdteilen bezogen werden.
textil+mode: Können Sie uns ein paar konkrete Beispiele aus der geplanten Gesetzgebung nennen?
Dr. Antje Eichler: Würde z. B. der Restriktionsvorschlag zu PFHxA in der vorgelegten Fassung durch die Kommission verabschiedet werden, würde eine Vielzahl von textilen Anwendungsbereichen der C6-Fluorchemie nicht mehr möglich sein. So u. a. brandlastminimierte Abdeckungen für den Motorraum von Fahrzeugen, Textilien für die Heißgasfiltration von Müllverbrennungsanlagen, UV- bzw. Sonnenschutztextilien, Textilien in der Architektur/Leichtbau, medizinische Textilien bzw. Medizinprodukte, die nicht aus Vliesstoff bestehen, persönliche Schutzausrüstung, die nicht Klasse III zertifiziert ist, textile Transportbänder für die Lebensmittelindustrie, brandlastoptimierte Heimtextilien, aber auch die Herstellung schusssicherer Westen für Polizei und Militär in der EU. Dies bedeutet das Aus von zehntausenden EU-Arbeitsplätzen, einen massiven Einschnitt in die Innovationsfähigkeit der Branche sowie das Zerbrechen von Wertschöpfungsketten.
textil+mode: Sie sind Teil eines großen Netzwerkes, das sich inzwischen zusammengefunden hat, um auf die Folgen der REACH-Gesetzgebung hinzuweisen. Wer sind Ihre Verbündeten?
Dr. Antje Eichler: Wir sind als Umweltexperten der Verbände in enger Zusammenarbeit mit dem VCI Bayern und der TEGEWA auf nationaler und europäischer Ebene aktiv. Wir stellen jedoch immer wieder fest, dass die möglichen Folgen der REACH- Beschränkungskaskade Fluorchemie noch nicht in allen Ebenen der Wertschöpfungsketten wahrgenommen werden. Gleichfalls sind den Behörden die vielfältigen Anwendungsbereiche der Fluorchemie und deren Nutzen kaum bekannt. So drohen die von den Regulierungsbehörden vorgesehenen Ausnahmeregelungen zu kurz zu greifen.
textil+mode: Deshalb haben Sie in diesem Sommer ein breitangelegtes Webinar veranstaltet. Wie war die Resonanz?
Dr. Antje Eichler: Die war riesig. Wir hatten 150 Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik und Behörden. Aus meiner Sicht ist es gelungen, das Bewusstsein für die regulatorischen Entwicklungen innerhalb der industriellen Wertschöpfungsketten zu schärfen und relevante Interessengruppen für eine aktive Teilnahme an den Prozessen zu sensibilisieren. Immerhin haben wir im Konzert mit mehreren Verbänden zu der Veranstaltung eingeladen: der Gesamtverband Textil- und Mode, Südwesttextil und VTB, die bayerischen Verbände der chemischen Industrie und der Verband der Hersteller von Prozess- und Veredelungschemikalien (TEGEWA). Für all diejenigen, die die Online-Sitzung nicht direkt verfolgen konnten, steht eine Veranstaltungsdokumentation zur Verfügung. Die Präsentationsfolien der Online-Sitzung können über die folgenden Links heruntergeladen werden:
Presentation 1: Introduction to the REACH restriction for PFHxA related compounds (and beyond) - Dr. Roland Appel, Bayerische Chemieverbände
Presentation 2: Essential use cases - Stefan Thumm, Südwesttextil
Presentation 3: Practical advices for consultation contributions - Dr. Antje Eichler, Gesamtverband textil+mode
Eine Aufzeichnung der Veranstaltung ist hier abrufbar.
textil+mode: Frau Eichler, vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Bayerischen Chemieverbandes.
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