Viele Unternehmen der deutschen Textil- und Modeindustrie verzeichnen dramatische Umsatzeinbrüche. Die Corona-Krise geht einem Großteil der zumeist mittelständischen Unternehmen schon jetzt an die Existenz. Traditionsmarken und Familienunternehmen in der Bekleidungsindustrie trifft es genauso hart wie Hersteller technischer Textilien oder Autozulieferer.
Ingeborg Neumann, Gesamtpräsidentin der deutschen Textil- und Modeindustrie und BDI-Vizepräsidentin im Gespräch mit dem Bundeskorrespondenten Andreas Herholz.
Das Interview ist u. a. erschienen in der Passauer Neuen Presse, Rhein-Neckar-Zeitung, Neue Osnabrücker Zeitung, Schweriner Volkszeitung, Wirtschaftswoche Online, Focus Online, Zeit online.
Herholz: Frau Neumann, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens schreiten voran. Sie sprechen für 1400 zumeist mittelständische Unternehmen, wie ist die Lage in den Betrieben?
Neumann: Der Schaden ist immens, wir sind eine globale Industrie, unsere Lieferketten sind zusammen gebrochen. Viele unserer Unternehmen sind in einem Ausnahmezustand, viele im freien Fall etwa die Autozulieferer oder Bekleidungshersteller, weil der Handel seine Bestellungen storniert. Wir brauchen jetzt auch innerhalb unserer Wirtschaft viel Solidarität.
Herholz: Wird das zweite Milliardenpaket, das die Bundesregierung gerade schnürt, helfen?
Neumann: Kurzarbeitergeld haben viele schon beantragt, jetzt brauchen wir aber Direkthilfen. Wie sollen kleine und mittlere Unternehmen Kredite aufnehmen, wenn sie überhaupt keine Aufträge haben, aber die Kosten weiterlaufen? Die Banken bewerten nach überholten Kriterien. Wenn es hier ganz kurzfristig keine Direkthilfen gibt für Unternehmen bis mindestens 100 Beschäftigte, gehen viele unserer Betriebe in die Knie.
Herholz: Was hören Sie aus der Unternehmerschaft, laufen die Hilfen an?
Neumann: Nein, da hakt es aufgrund des gewaltigen Ausmaßes der Corona-Krise natürlich an vielen Stellen. Bei uns melden sich verzweifelte Unternehmer, die in Kürze ihre gesamte Existenz verlieren. Viele hängen in Warteschleifen. Hier müssen die Verwaltungen und Banken ihre Kräfte jetzt zusammenziehen.
Herholz: Ist die Globalisierung mit der Corona-Epidemie gescheitert?
Neumann: Nein. Wir brauchen in Zukunft aber eine nachhaltige Globalisierung. Die Epidemie zeigt doch gerade, dass wir Probleme nur gemeinsam und nicht als Nationalstaaten lösen können. Und wir brauchen eine funktionierende Industrie im eigenen Land. Deshalb muss die gesamte Gesetzgebung für das kommende Jahr auf den Prüfstand.
Herholz: Das heißt?
Neumann: Wir müssen Steuern senken, die C02-Bepreisung aufschieben. Und auch hier geht Bayerns Ministerpräsident Söder voran und hat massive Strompreissenkungen gefordert. Wir werden keine andere Wahl haben, sonst schaffen wir das nicht.
Herholz: Wie gehen Sie selbst als Unternehmerin mit der Krise um?
Neumann: Trotz der extrem angespannten Lage ruhig und besonnen bleiben; Panik war noch nie ein guter Ratgeber. Nach vorne schauen und wenn möglich, sich auf die Zeit zu konzentrieren, wenn wir unser öffentliches und unser Wirtschaftsleben wieder aufnehmen können.
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