"Hier zählt Präsenz, hier zählt der Mensch! "

textil+mode sprach mit Jörn Holtmeier, dem Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Messewirtschaft - AUMA, über die aktuelle Situation des Messestandortes Deutschland, welche Förderung mittelständische Unternehmen in Anspruch nehmen können und wie er die Zukunft der Messen einschätzt.

21.02.2022

Copyright: AUMA / Steffen Kugler

 

textil+mode: Auch die Textil- und Modeindustrie wartet sehnsüchtig darauf, dass das Messegeschäft wieder los geht. Wie stehen die Chancen, dass die Messen, die für 2022 an den deutschen Messestandorten im Programm stehen, auch stattfinden?

Jörn Holtmeier: Bund und Länder haben ein wichtiges Signal gegeben, das der deutschen Messewirtschaft Mut gibt. Die beabsichtigten Öffnungsschritte dürfen keinen Tag länger auf sich warten lassen. Bei aller Unterstützung für den Infektionsschutz: Im Jahr drei dieser Pandemie muss es endlich wieder um das Möglichmachen gehen – ohne Hin und Her. 2022 wird ein starkes Messejahr - wenn die Politik möglich macht, wenn der Luxus der Impfzauderei endlich endet, wenn die internationalen Reisebeschränkungen aufgehoben werden. Insgesamt 390 Messen sind in diesem Jahr in Deutschland vorgesehen, darunter Dutzende Leitmessen der Weltwirtschaft. 60 Messen sind mit großem Kraftaufwand innerhalb des Jahres verschoben worden. Mehr als 70 geplante Messen in diesem Jahr können diesen Kraftakt nicht mehr stemmen - sie wurden bereits abgesagt. Doch die Wirtschaftszweige machen immer deutlicher, dass sie nicht weiter auf ihren Branchentreff verzichten wollen.

Die mittelständische Industrie ist Motor der Wirtschaft. Viele Unternehmen sind auch in unserer Branche durch die Corona-Pandemie in schweres Fahrwasser geraten. Welche Förderungen gibt es für kleine und mittlere Unternehmen für die Messebeteiligung?

Wir im AUMA haben die neue Bundesregierung frühzeitig adressiert. Kleine und mittelständische Unternehmen müssen stärker unterstützt werden mit einem eigenständigen Messe-Inlandsförderprogramm von wenigstens 30 Millionen Euro im Jahr 2023. Die Förderung junger, innovativer Unternehmen muss ausgeweitet werden. Vor allem brauchen ausstellende Unternehmen ein starkes Absicherungsprogramm Der Sonderfonds Messen muss zügig nachgebessert werden. Er muss jede Form einer pandemiebedingten Absage oder Verschiebung unbürokratisch anerkennen.

Viele stellen die These auf, dass die Pandemie die Art und Weise, wie in Zukunft Messen stattfinden, stark verändern wird. Wie sehen Sie das?

Die Pandemie hat unser aller Leben verändert. Messen sind da keine Ausnahme. Doch mit Corona haben Messen ein weiteres Mal – wenn auch durchaus schmerzlich – bewiesen, dass sie Wandel können. Die Branche musste aber schon immer extrem flexibel sein. Wir haben auch diesmal schnell gelernt: Real wird künftig digital verlängert. Aber der Kern, die Begegnung, was Messen ausmacht, bleibt. Live werden alle Sinne angesprochen. Präsenzmessen werden wieder normal – für Besucher, Aussteller und Veranstalter. Mehr denn je geht es um Vertrauen, um Markenpflege, um überzeugende Präsentation von Innovationen. Hier zählt Präsenz, hier zählt der Mensch! Neue Bindung, innovative Kooperation und langfristige Beziehung entstehen durch Begegnung: Im Paket gibt’s das nur auf echten Messen.

Der Messestandort Deutschland ist international hoch angesehen. Wie lange wird es dauern, bis die ausländischen Gäste wieder zurückkommen?

Wohl wahr! Der Messestandort ist weltweit einmalig. Vier der zehn größten Messegelände der Welt sind in Deutschland beheimatet, fünf der zehn umsatzstärksten Messeveranstalter sind hierzulande ansässig und zwei Drittel aller weltweiten Leitmessen finden zwischen Sylt und München, zwischen Leipzig und Offenbach statt. Diese Stärke, von der gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland profitieren, weil sie quasi vor der Haustür den Weltmarkt treffen können, müssen wir erhalten.

Derzeit am wichtigsten für ausländische Gäste ist neben einfach verständlichen Regeln, dass die Bundesregierung endlich die Impfstoffliste der Weltgesundheitsorganisation WHO anerkennt. Denn andernorts geimpfte Menschen gelten hierzulande als ungeimpft, weil sie nicht mit einem der fünf in Deutschland anerkannten Vakzine geimpft worden sind. Österreich, die Niederlande und das Vereinigte Königreich akzeptieren die WHO-Liste, ebenso wie die Vereinigten Staaten von Amerika und Dutzende anderer Staaten.

Was verbinden Sie ganz persönlich mit der Textil- und Modeindustrie?

Ich komme gerade zurück aus dem Ski-Urlaub. Auf der Piste hatte ich kurz den Gedanken, welch‘ Wunderwerk Outdoor-Kleidung heutzutage ist. Sie ist wasser- und windabweisend. Lässt mich angenehm schwitzen, aber wärmt zugleich. Sie macht optisch was her, ist dabei total leicht – und nachhaltig. Ich kann nur erahnen, wie viel Forschung dahinter stecken muss. Aber wir nehmen das als sehr normal hin.

Herr Holtmeier, wir danken Ihnen für das Gespräch!