Am 14. Oktober hat das mit der Umsetzung betraute Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA, einen Fragenkatalog veröffentlicht, den die Unternehmen beantworten sollen. Der Fragenkatalog ist ein bürokratischer Albtraum. textil+mode sprach mit Anne-Kathrin Göbel, der neuen Leiterin CSR und Kreislaufwirtschaft beim Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie.
textil+mode: Frau Göbel, was haben Sie gedacht, als Sie zum ersten Mal einen Blick auf die Fragen des BAFA geworfen haben?
Göbel: Ich habe die 437 Fragen gesehen und mich gefragt, wo die denn herkommen. Das Lieferkettengesetz sieht keinen Fragenkatalog des BAFA zur Erstellung des Berichts vor. Mit diesem 38-seitigen Dokument sind viele Abteilungen in den Unternehmen auf lange Zeit beschäftigt. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass mehr Bürokratie zu mehr Nachhaltigkeit führt.
textil+mode: Zunächst einmal sind ja aber nur Unternehmen verpflichtet, einen Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltsplichten zu erstellen, die mindestens 3 000 Arbeitnehmer in Deutschland haben.
Göbel: Richtig, ab 2024 trifft es dann bereits die mit mindestens 1 000 und wahrscheinlich - mit der vorgesehenen Evaluierung des Gesetzes 2024 - dann auch die Unternehmen ab 500 Beschäftigte. Der Zug ist also nicht mehr zu stoppen. Die meisten Lieferanten der berichtspflichtigen Unternehmer sind klein- und mittelständische Unternehmen und werden zu den Sorgfaltspflichten auskunftsfähig sein müssen, wenn sie weiter Geschäftspartner sein wollen. So greift das Gesetz indirekt auf mehr Unternehmen zu als vorgesehen.
textil+mode: Es gab bereits zahlreiche Forderungen, das Inkrafttreten des LkSG angesichts der wirtschaftlichen Krisenlage zu verschieben. Eine gute Idee?
Göbel: In der Krisen- und Kriegssituation und mit den anfälligen Lieferketten kämpfen derzeit viele Unternehmen um ihre Existenz und müssen flexibel in der Auswahl ihrer Geschäftspartner sein. Dadurch wird die Umsetzung des LkSG eine noch größere Herausforderung. Aussetzen wäre richtig, wenigstens muss das BAFA bei ihren Prüfungen die aktuellen Umstände berücksichtigen.
textil+mode: Was empfehlen Sie Unternehmen?
Göbel: Die Unternehmen bereiten sich intensiv auf die Umsetzung vor. Wir als Verband unterstützen hier so gut es geht. Jetzt müssen wir sehen, wie das erste Berichtsjahr läuft. Aus unserer Sicht wird ein Review des ersten Berichtszyklus Mitte 2024 unerlässlich sein, um zu analysieren, inwieweit die Berichtsprüfung des ersten Jahres erfolgreich war bzw. an welchen Stellen der Fragenkatalog für den nächsten Berichtszyklus angepasst werden sollte. Dafür werden wir uns jetzt vehement einsetzen.
textil+mode: Und was passiert in der Zwischenzeit?
Göbel: Die Gefahr ist, dass insbesondere mittelständische Unternehmen aufgrund unklarer, rechtlich zweifelhafter Vorgaben sich gezwungen sehen, Lieferketten zu beenden, deren Aufrechterhaltung gerade jetzt besonders wichtig wäre. Das Frustrierende ist, dass wir genau vor solchen Effekten gewarnt hatten, diese Einwände aber von der Politik weggewischt wurden.
Vielen Dank für das Gespräch.
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