Brüssel/Berlin: Die heute beschlossene neue EU-Lieferkettenrichtlinie schadet den heimischen mittelständischen Unternehmen und den Menschen in Entwicklungsländern.
Das heute beschlossene staatliche Überwachungssystem mit seiner systemfremden Gefährdungs- und Sicherstellungshaftung in der Lieferkette ist ein ideologisch motiviertes Konstrukt, das an Realität und Möglichkeiten der betroffenen mittelständischen Unternehmen komplett vorbeigeht.
Die Lieferkettenrichtlinie schießt weit über das gebotene Maß hinaus. Sie erzeugt weitere unverhältnismäßige Komplexität für viele KMU in der Textil- und Modebranche in einer Zeit, wo eigentlich eine Entbürokratisierungsoffensive das Gebot der Stunde wäre.
Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie: „Wir fordern die Bundesregierung auf, dieses mittelstands- und entwicklungsfeindliche Bürokratiemonster im EU-Rat abzulehnen. Die Textil- und Modeindustrie, die seit langem mehr Anstrengungen als viele andere Branchen unternimmt, um Wohlstand und Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern zu fördern, ist unter dem Druck der aktuellen Energiepreise, der jüngsten außenpolitischen Verwerfungen und den Folgen der Corona‑Pandemie an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt. Was heute in Brüssel im Trilog beschlossen wurde, ist von frappierender Unkenntnis der Realität heutiger textiler Wertschöpfungsketten und des positiven Beitrags der europäischen Textil- und Modebranche. Dieses neue Belastungspaket hilft niemandem.“
Aus Sicht des Gesamtverbands textil+mode ist die EU-Lieferkettenrichtlinie auch handwerklich schlecht gemacht. Wenn der Gesetzgeber Sorgfaltspflichten vorgibt und Unternehmen dafür in die Haftung nehmen will, muss er zumindest rechtssichere Vorgaben machen. Was jetzt beschlossen wurde, ist nichts anderes als ein Anreiz an die betroffenen heimischen Unternehmen, ihr Risiko durch Konzentration auf weniger Zulieferer aus weniger Lieferländern zu reduzieren.
Hauptgeschäftsführer Mazura: „Leidtragende der Lieferkettenrichtlinie sind deshalb auch viele Menschen in den Entwicklungsländern, denn sie schafft für Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen insbesondere in ärmeren Ländern mit schwachen Institutionen zusätzliche Kosten und Risiken. Es muss leider davon ausgegangen werden, dass deutsche Unternehmen die Zahl der Zulieferer aus diesen Ländern reduzieren oder sich ganz von dort zurückziehen könnten. Die EU hat damit ihrem Ziel, Importe aus Entwicklungsländern stärker zu diversifizieren, einen Bärendienst erwiesen. Damit schwächt sie die betroffenen Unternehmen, die künftig von globalen Wertschöpfungsketten abgehängt werden und trägt so zur Verringerung des Pro-Kopf-Einkommens und damit des Wohlstands der Menschen in ärmeren Ländern bei.“
Die mittelständischen Unternehmen der deutschen Textil- und Modeindustrie bekennen sich zu fairen Sozial- und Umweltstandards entlang ihrer Lieferketten. Sie unternehmen bereits heute große Anstrengungen, Wissen und Kontrolle entlang ihrer Lieferketten ständig auszubauen. Ihr wirtschaftliches Engagement und ihr Know-how-Transfer tragen erheblich zu nachhaltigem Wachstum und höherer Beschäftigung in Entwicklungs- und Schwellenländern bei. Unsere Verantwortung ist Ausdruck einer Unternehmenskultur, die weit über die Grenzen juristischer Haftung hinausreicht. An dieser Kultur der Ethik werden wir auch in Zukunft festhalten, ohne dass es hierfür einer neuen gesetzlichen Regelung bedürfte.
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