Deutschland nennt sich bekanntlich Recyclingweltmeister. Und so denken viele bei uns an die unterschiedlich farbigen Abfalltonnen und getrennte Sammelsysteme, wenn sie das Wort Kreislaufwirtschaft hören. Die heute etablierte Kreislaufwirtschaft in Deutschland wird oft nur linear gedacht: End of Pipe-Lösungen sollen unsere Abfallprobleme beheben, das Schließen von Kreisläufen wird auf das Recycling und die Sammlung und Behandlung von Abfällen reduziert.
Dabei hatte Deutschland bereits eine Vorreiterrolle eingenommen. Die erste Fassung des Kreislaufwirtschaftsgesetztes enthielt zum Beispiel bereits einen Paragraphen zur kreislauffähigen Produktgestaltung.
Genau hier ist der Ansatz für Circular Economy: Kreisläufe können nur dann geschlossen werden, wenn diese ganzheitlich systemisch betrachten werden. Der gesamte Lebenszyklus und nicht nur einzelne Abschnitte müssen im Fokus stehen. Damit dies gelingt, ist die Zusammenarbeit und der Austausch aller Akteure gefragt. Die Circular Economy bietet vielfältige Strategien und Werkzeuge, um Ressourcen effizient und effektiv einzusetzen und Kreisläufe zu schließen. Im Fokus dieser Strategien stehen dabei die Verankerung des Kreislaufgedankens schon beim Produktdesign und die Etablierung von geschlossenen Kreisläufen durch neue oder andere Geschäftsmodelle.
Europa befindet sich inzwischen auf dem Weg, die bestehende Kreislaufwirtschaft mehr und mehr zur Circular Economy auszubauen, so auch die Textilindustrie! Einige Circular Economy Strategien sind bereits etabliert, zum Beispiel das Verspinnen von Baumwollresten oder das Nutzen von Heimtextilien und Berufsbekleidung in Leasingsystemen. Andere Konzepte bieten uns völlig neue Chancen. Diese sollten wir jetzt nutzen!
Circular Economy Action Plan 1.0 und 2.0
Die Europäische Kommission hat das große Potenzial der Circular Economy erkannt. Der erste Circular Economy Action Plan steht auf ihrer politischen Agenda und gehört damit zum Green Deal, den EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen über ihr Regierungsprogramm geschrieben hat. Im neuen Circular Economy Action Plan 2020 wird die Textilindustrie sogar direkt angesprochen und dabei als ein vorrangiger Sektor für die künftige Arbeit der europäischen Kommission ausgewiesen.
Wir beim Gesamtverband textil+mode begleiten auf europäischer Ebene intensiv diese Diskussion und arbeiten eng zusammen mit unserem europäischen Dachverband Euratex.
Euratex veröffentlichte noch vor dem neuen Circular Economy Action Plan das „MANIFESTO TO DELIVER A CIRCULAR ECONOMY IN TEXTILES “. In diesem Manifest bekennen sich die Unterzeichner zu einer branchenweiten Zusammenarbeit. Darauf aufbauend wurde im Januar 2020 die ausführliche Position "circular textiles - Prospering in the Circular Economy" veröffentlicht. Diese beschreibt den Weg zur gemeinsamen Entwicklung und Umsetzung einer europäischen Vision für Textilien in einer Circular Economy unter Benennung konkreter Aktionsschritte.
Kreislaufwirtschaft und Circular Economy auf nationaler Ebene
Die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft unter den Prinzipien der Circular Economy ist natürlich auch auf nationaler Ebene ein wichtiges Thema. So wurde zuletzt das Kreislaufwirtschaftsgesetz novelliert, um Vorgaben aus der europäischen Diskussion in nationales Recht umzusetzen. Schon heute, aber auch künftig wird die Circular Economy eine stärkere Vernetzung der Akteure entlang der Wertschöpfungskette erfordern. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass künftig Industrien zusammenarbeiten werden, die bis dato noch keinerlei Berührungspunkte hatten. Um hier eine geeignete Plattform zu initiieren, wurde bei textil+mode ein eigener Arbeitskreis "Textile Kreislaufwirtschaft" ins Leben gerufen. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, an der Umsetzung einer textilen Circular Economy zu arbeiten, Fragen zu passenden Konzepten und deren Wirtschaftlichkeit zu diskutieren, die Vernetzung der Akteure, die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und innovativer Technologien weiter voran zu treiben sowie notwendigen Forschungs- und Investitionsbedarf zu ermitteln. Nicht zu Letzt müssen aber auch Strategien, Konzepte und Entwicklungen auf den Prüfstand gestellt, erprobt und weiterentwickelt werden. Es geht u. a. um folgende Fragestellungen:
- Wie passen (noch) alte Strukturen? Wo müssen wir radikal neu denken?
- Wie nachhaltig und wirtschaftlich sind tatsächlich Konzepte und Ideen?
- Welcher Forschungsbedarf wird gebraucht?
- Wie reagiert der Markt? Wie und wo muss auch hier ein Umdenken und Hinterfragen stattfinden?
Für die Schaffung einer Circular Economy benötigt es Freiräume und Ideenvielfalt, aber auch unterstützende Rahmenbedingungen, fördernde Maßnahmen und einen ehrlichen offenen Diskurs. Hierfür setzen wir uns bei textil+node ein.
Textil ist innovativ – Ein Blick auf aktuelle Forschungsprojekte
Für die Förderung der vorwettbewerblichen Forschung im Bereich der Circular Economy setzt sich insbesondere auch das Forschungskuratorium Textil (FKT) ein, das die Textilforschung im Gesamtverband koordiniert. So konnten in den vergangenen Jahren mit Unterstützung durch das FKT viele innovative Ideen für die bessere Trennung von Alttextilien oder das sortenreine Recycling entwickelt werden. Dazu gehört aktuell unter anderem die Entwicklung einer neuen Prozesskette, die sehr flexibel die Qualität von Garnabfällen oder Schnittabfällen von Spezialfasern analysieren kann, um die Produktqualität von daraus hergestellten Recyclingtextilien vorab einzuschätzen. Damit wird ein Recycling zu hochwertigen Produkten möglich. In diesem Sinne haben viele der vom FKT geförderten Projekte auch das Ziel, künftig das „Downcycling“ von weit verbreiteten Kunststoffen zu vermeiden. Jährlich werden zum Beispiel 25 Millionen Tonnen PET-Flaschen zu Kunstfasern versponnen. Doch oftmals weicht die Qualität der Recycling-Fasern von der neuer PET-Fasern ab. Daher wird derzeit eine neue Methode entwickelt, die Unterschiede in der Struktur, den Eigenschaften und der Leistungsfähigkeit der Fasern systematisch analysiert. Auch kann die genaue Zusammensetzung des Fasermaterials bestimmt werden. Damit erhalten Hersteller ein Werkzeug, um die Qualität von Recycling-Fasern zu erhöhen, wodurch sich der Recyclinganteil im Endprodukt erhöhen lässt.
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