Berlin: Vom Schwung, mit dem die deutsche Textil- und Modeindustrie in das Jahr 2024 startete, ist nichts mehr übrig. Das zeigen die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die die Entwicklung bis zum Monat August abbilden. Aktuell sehen die Unternehmen deshalb mit großer Sorge in die Zukunft. Das Konjunkturbarometer der Branche im Oktober ist deutlich eingetrübt.
Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie: „Aus allen Teilen des Landes erreichen uns dramatische Hiobsbotschaften mittelständischer Textilhersteller. Dabei zeigen sich jetzt die Folgen einer verfehlten Wirtschaftspolitik, vor denen wir bereits seit Jahren laut und vernehmlich die Stimme erhoben haben. Die nicht zu Ende gedachte Energiewende zerstört Schritt für Schritt die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Existenzgrundlage von Unternehmen, die sich durch Innovationen und Investitionen in den vergangenen Jahrzehnten als Weltmarktführer in ihren Segmenten behauptet haben. Überbordende Bürokratie und Strompreise, die durch Zusatzbelastungen nicht mehr bezahlbar sind, haben das in vielen Fällen zunichte gemacht. Eine Branche, die 40 Prozent ihrer Umsätze im Export macht, geht in die Knie, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Dabei können die Textilunternehmen genau das, was politisch gefordert wird: von Nachhaltigkeit über Kreislaufwirtschaft bis hin zu neuen Materialien und Verfahren, die Ressourcen schonen und Meilensteine in Richtung Klimaneutralität sind.“
Die Umsätze sind auch im August weiter gesunken, und zwar mit zweistelligen Minusraten: Bei Textil verzeichnet der Konjunkturbericht des Gesamtverbandes textil+mode ein Minus von 10 Prozent, bei Bekleidung ein Minus von 12,4 Prozent. In den ersten acht Monaten weist die Gesamtbranche damit einen um 4,9 Prozent niedrigeren Umsatz als noch im Vorjahreszeitrum aus.
Von den Umsatzeinbrüchen sind Unternehmen quer durch die Branche betroffen: Hersteller von Spezialtextilien oder technischen Textilien können ihre Produktionskosten nicht mehr am Markt erwirtschaften. Das Geschäftsklima bei den Herstellern technischer Textilien ist so schlecht wie seit zwei Jahren nicht mehr. Besonders bedrückend ist, dass sich die kurzfristigen Erwartungen besonders rapide verschlechtert haben. Die Krise der deutschen Autoindustrie mit Betriebsschließungen und massenhaften Entlassungen wird die Situation in der Textilindustrie weiter verschärfen mit irreversiblen Folgen für High-Tech- und Spezialtextilien Made in Germany. Mit voller Wucht trifft die schwache Inlandsnachfrage und die Konsumzurückhaltung die Hersteller von Bekleidung, nachdem sie die katastrophalen Umsatzeinbrüche durch die Corona-Lockdowns gerade einigermaßen aufgeholt hatten. Die Verbraucher sparen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten vor allem an Bekleidung. Während der Einzelhandel im August mit 1,8 Prozent mehr Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht zulegte, ging der Bekleidungseinzelhandel im August gegen den Trend um 1,6 Prozent zurück.
Hauptgeschäftsführer Uwe Mazura: „Wenn Qualitätsmodemarken und Textilhersteller, die über mehrere Generationen Erfolgsgeschichte geschrieben haben, am Standort Deutschland ihre Beschäftigten nicht mehr bezahlen können und deshalb ihre Zelte im Ausland aufschlagen oder ganz aufgeben, läuft etwas gewaltig schief in unserem Land. Wir lassen deshalb nichts unversucht, den politisch Verantwortlichen klarzumachen, dass das Ruder jetzt umgerissen werden muss. Die Vorschläge für einen wettbewerbsfähigen Standort Deutschland liegen alle auf dem Tisch und müssen so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden. Das reicht vom Abbau unsinniger Bürokratie, wie einem völlig realitätsfremden Lieferkettengesetz über wettbewerbsfähige Energiepreise bis hin zu Unternehmenssteuern, mit denen der Standort wieder attraktiv für Investitionen wird. Andernfalls setzt sich der Exodus der deutschen Industrie fort.“
Auch in der Textil- und Modeindustrie sinkt die Anzahl der Betriebe unvermindert weiter. Bei Bekleidung gab es Ende August 5 Prozent weniger Betriebe als im Vorjahr, bei Textil sank die Zahl der Unternehmen um weitere 4 Prozent. Auch die Zahl der Beschäftigten geht damit zurück, bei Textil Ende August im Vorjahresvergleich um 5,4 Prozent, bei Bekleidung um 2,7 Prozent. Da die Beschäftigtenzahl als nachlaufender Indikator gilt, ist mit einem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen in der Branche auszugehen, zumal die Autozulieferer in der Textilindustrie durch die größte Krise der Automobilindustrie in Deutschland in weiteres schweres Fahrwasser kommen werden.
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