Wie man die Mikroplastikflut verringert

Im Verbundprojekt Textile Mission haben Wissenschaftler und Partner aus der Industrie nach Wegen gesucht, um den Austrag von Mikroplastikfasern aus der Bekleidung zu verringern. Die Ergebnisse, die jetzt auf der Abschlusskonferenz präsentiert wurden, stimmen zuversichtlich: Durch optimierte Fertigungsprozesse, den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen, aber auch das richtige Waschen, lässt sich die Partikelmenge künftig deutlich reduzieren.

29.03.2021

Seit mehreren Jahren gehört Mikroplastik zu den großen Umweltthemen, die in der Öffentlichkeit prominent diskutiert werden. Dabei handelt es sich um kleine Kunststoffpartikel, die durch den Zerfall von größeren Kunststoffteilen, durch Zusätze in Putzmitteln und Kosmetika sowie durch Reifenabrieb in die Umwelt gelangen. Ein gewisser, wenn auch im Vergleich eher kleiner Teil, wird auch durch Textilien freigesetzt. Meist sind dies winzige Faserbruchstücke, die während der Produktion, während des Tragens und beim Waschen anfallen. Um die Menge des textilen Mikroplastiks künftig erheblich zu verringern, haben der Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie, die Hochschule Niederrhein und das Institut für Wasserchemie der TU Dresden zusammen mit der Umweltstiftung WWF und Industriepartnern in den vergangenen Jahren das Verbundprojekt „Textile Mission“ durchgeführt. Ziel war es, die Menge der in die Umwelt gelangenden Kunststoffe abzuschätzen, die wesentlichen Quellen von Mikrofasern zu finden und Verfahren zu entwickeln, mit denen sich deren Menge künftig verringern lässt. Am 17. März ist das Projekt mit einer Online-Abschlussveranstaltung zu Ende gegangen, auf der die wichtigsten Ergebnisse vorgestellt wurden.

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Schwerpunkt Fleece-Stoffe

Der Fokus der im Rahmen von Textile Mission durchgeführten Studien lag auf Fleece-Stoffen, die im Verdacht stehen, verhältnismäßig viel Mikroplastik freizusetzen. Das Projekt hat unter anderem gezeigt, dass der weitaus größte Teil des Mikroplastikaustrages nicht in der Haushaltswäsche, sondern in der Produktion entsteht, auch in der Nassausrüstung. Insofern sei die Produktion auch der größte Hebel, um die Menge an Mikroplastik zu verringern. Wie Prof. Ellen Bendt von der Hochschule Niederrhein betonte, sei aber auch deutlich geworden, dass Fleece nicht gleich Fleece ist. Jeder Stoff habe andere Anforderungen. Insofern gebe es keinen Standard-Produktionsprozess – und damit auch keine Standardlösung für die Verringerung des Mikroplastiks. Jeder Prozessschritt müsse einzeln betrachtet werden. Daher haben die Experten die verschiedenen Stufen der Produktion genau analysiert – die Produktion der Fasern, das Schneiden und das Fügen, aber auch das Waschen.

Laser und weniger Nähte als Lösungen

Wie sich zeigte, setzen spinngefärbte Fasern während der ganzen Produktionskette vergleichsweise wenige Fasern frei. Was das Zuschneiden betrifft, lässt sich die Fasermenge deutlich reduzieren, wenn man Stoffe mit dem Laser in Einzellagen verarbeitet. Beim Fügen schnitten Tapings und Flachnähte besonders gut ab. Diese Verbindungen sind haltbar und geben deutlich weniger Fasern ab, als andere. Untersucht wurde auch das Ultraschall-Schweißen der Stoffe. Wie anschließende Waschtests zeigten, brechen die Ränder der Naht aber nach und nach, wodurch dann wieder Fasern freigesetzt werden.

In Nachfolgeprojekten sollen diese Erkenntnisse jetzt in die industrielle Produktion überführt werden. Um bessere Materialien und Kleidungsstücke herzustellen, die per se die Freisetzung von Mikroplastik verringern, soll zudem noch genauer untersucht werden, welche übrigen Textilparameter zur Entstehung von Mikroplastik führen – dazu zählen zum Beispiel die weitere Reduzierung von Nähten oder der verstärkte Einsatz von Mono-Materialien. Wie Robert Klauer vom Projektpartner VAUDE Sport erklärte, sollten zudem die Konfektions-, Ausrüstungs- und Verarbeitungsprozesse grundsätzlich im Hinblick auf den Mikroplastikaustrag optimiert werden. Auch werde es immer wichtiger, die biologische Abbaubarkeit verschiedener Fasertypen zu berücksichtigen. Eine wichtige Voraussetzung für die Optimierung sei indes ein einheitlicher Test, mit dem sich die Freisetzung von Mikroplastik aus Textilien sicher bestimmen lasse. Hierzu wurde jetzt in enger Abstimmung mit der EURATEX (European Apparel and Textile Confederation) ein europäischer Standardisierungsprozess in Gang gesetzt, an dem auch verschiedene Forschungseinrichtungen beteiligt sind.

Volle Ladung schont die Wäsche

Interessant ist auch die Waschanalyse, die die Hochschule Niederrhein durchgeführt hat. Dabei wurden verschiedene Waschmaschinen-Parameter berücksichtigt – die Füllmenge, die Temperatur oder auch die Umdrehungszahl des Schleuderwaschgangs. Die Ergebnisse zeigen, dass beim ersten Waschgang rund 40 Prozent aller Mikrofasern freigesetzt werden und die Menge dann bis etwa zum zehnten Waschgang deutlich abnimmt. Am wenigsten Fasern werden frei, so zeigen die Experimente, wenn die Waschmaschine komplett gefüllt und die Wäsche anschließend im Trockner getrocknet wird. Zum einen reduziert das die Belastung des Gewebes beim Waschen, zum anderen werden die Fasern durch die Filter im Trockner abgefangen.

Kläranlagen holen Mikroplastik aus dem Wasser

Die Experten der TU Dresden wiederum konnten durch ihre Untersuchungen die Ergebnisse anderer Studien bestätigen, nach denen zwischen 90 und 99 Prozent der Mikroplastikfasern im Abwasser in Kläranlagen entfernt werden. Kunstfasern werden allerdings so gut wie nicht durch die dort vorhandenen Bakterien abgebaut. Besser schneiden da alternative Fasern aus Baumwolle und Viskose ab, die innerhalb von 30 Tagen bakteriell verarbeitet werden. Dieser Abbau wird auch durch diverse Farbstoffe oder Enthärter kaum behindert. Enthalten die Fasern aber antimikrobielle Zusätze nimmt die Abbaubarkeit natürlich deutlich ab.

Ganzheitliche Betrachtung

Eine ganzheitliche Betrachtung zum Thema Fleece-Materialien, die über das reine Mikroplastikproblem hinausgeht, lieferte Caroline Kraas vom WWF Deutschland. Unter anderem stellte sie die Möglichkeiten des Einsatzes von reczykliertem PET (rPET) vor. Die Nutzung von rPET könne je nach Produktionsverfahren zwischen 40 und 85 Prozent Energie sparen und sei damit eine interessante Alternative. Sie schränkte indes ein, dass rPET nicht per se nachhaltiger sei. Stets müssten bei der Verwendung von rPET genauso wie bei der Produktion von neuem PET Aspekte wie Arbeitsbedingungen, der Energieverbrauch der ganzen Logistik- und Produktionskette, der Transport und die Verarbeitung berücksichtigt werden – mithin der gesamte Lebenszyklus.

Celluloseregeneratfasern könnten, so Kraas, für die Umwelt vorteilhaft gegenüber synthetischen Fasern sein, wenn sie biologisch abbaubar sind. Allerdings müssten auch hier die oben genannten Standards eingehalten werden. Sie stellte einen Leitfaden vor, der die wichtigsten Regeln für die Produktion nachhaltiger Fasern zusammenfasste:

  • der Einsatz von Energie erfolgt möglichst effizient und auf Basis erneuerbarer Energien
  • Chemikalien werden in geringem Rahmen eingesetzt und im Kreislauf geführt, ansonsten sicher entsorgt
  • Transportwege sind auf ein Mindestmaß reduziert (integrierte Produktionsweisen)
  • Textilien sind von Anfang an auf häufige Wiederverwendbarkeit und Recycling ausgelegt
  • Rohstoff- und landesspezifische Bedingungen sind bekannt und geprüft, gegebenenfalls mithilfe von Zertifizierungen (höchster Standard, lokale Initiativen)
  • Geeignete Sammelsysteme für Altkleider sind eingeführt und mit anschließender Wiederverwendung/Recycling verbunden.

Abschließend betonte Caroline Kraas, dass das bloße Vorhandensein von Fasern in der Umwelt nur ein Teil des Problems sei. Je nach Weiterverarbeitung, Einsatz im Textil und der jeweiligen Ausrüstung könnten sie auch durch die beigefügten Zusatzstoffe und Hilfsmittel einen Transfer von Schadstoffen in die Umwelt bedeuten.