Angesichts der infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine explodierenden Energiekosten, fordert der Gesamtverband textil+mode SPD, Grüne und FDP zum Handeln auf. Unsere Solidarität mit der Ukraine und unser Widerstand gegen die russische Aggression stehen nicht infrage. Es kann aber nicht sein, dass wir zusätzlich zu einer Verzehnfachung der Strom- und Gaspreise noch eine Gasumlage oben draufbekommen. Die Gasumlage belastet einen typischen Arbeitsplatz in der Industrie umgerechnet mit rund 20.000 Euro on top. Als wenn es diese Krise nicht gäbe, hält die Politik an weiteren Belastungen durch Abgaben und Steuern fest. Dies gefährdet die Existenz zehntausender mittelständischer Industrieunternehmen in unserem Land mit irreversiblen Folgen für Lieferketten, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland.
Unsere Vorschläge an die Bundesregierung und die sie im Bundestag tragenden Parteien:
• Wettbewerbsfähigen Industriepreis für Strom und Gas schnellstmöglich einführen
Die Bundesregierung muss schnellstmöglich gemeinsam mit der EU-Kommission einen international wettbewerbsfähigen Industriepreis für Strom und Gas einführen. Bundeskanzler Scholz hatte als Kanzlerkandidat einen Strompreis von 4 Cent pro kWh als sein Ziel bezeichnet: „Strom muss in Deutschland günstiger werden. Denn unsere Unternehmen müssen im internationalen Wettbewerb bestehen können. Mein Ziel ist ein Industriestrompreis von 4 Cent.“ (Zitat Olaf Scholz am 22. Juni 2021 beim Tag der Deutschen Industrie).
Diese Forderung konterkariert auch nicht die Ziele der Energiewende, sondern ist im Gegenteil die Grundlage dafür, dass diese überhaupt möglich ist. Denn nur industrielle Lösungen ermöglichen die Umsetzung energiesparender Projekte und nur eine starke deutsche Industrie kann dazu beitragen, Lieferketten und Transportwege zu verkürzen.
• Schädlichen Merit-Order-Effekt vermeiden – Strombörsenpreis senken
Das gegenwärtig an der Börse praktizierte System zur Preisermittlung für Strom führt zu exorbitant steigenden Preisen und absurd hohen Gewinnen ausgerechnet bei den Stromerzeugern, die über viele Jahre gerade auch durch die von der mittelständischen Industrie gezahlte EEG-Umlage subventioniert worden sind. Der Grund dafür ist, dass die für die Stromerzeugung noch notwendigen Gaskraftwerke den Strompreis für alle setzen. Die früher akzeptablen Effekte dieses Systems haben sich innerhalb kürzester Zeit zu einem großen Problem entwickelt. Es muss daher schnellstmöglich abgeschafft und durch ein anderes System ersetzt werden, indem beispielsweise der Gaspreis für die Stromerzeugung gedeckelt wird, damit Auswüchse wie sie aktuell preisbestimmend sind, verhindert werden. Auch gilt es, das Angebot im Strommarkt schnellstens zu erhöhen, damit der Preis sinken kann. Dazu müssen die Kohlekraftwerke aus der Reserve wieder ans Netz gebracht werden. Außerdem sollten zumindest die derzeit noch laufenden Kernkraftwerke über das Jahresende 2022 hinaus weiter betrieben werden können. In dieser Krise sind pragmatische Entscheidungen gefordert.
• Strom- und Energiesteuern auf europäisches Minimum absenken
Die Energie- und Stromsteuern müssen auf die europarechtlich zulässigen Mindeststeuersätze gesenkt werden. Für die Stromsteuern muss dies dauerhaft gelten, damit klimafreundliche Stromanwendungen wettbewerbsfähig werden.
• Bei der nationalen CO2-Bepreisung das gesamte produzierende Gewerbe wirksam entlasten
Um einen wirksamen Carbon-Leakage-Schutz beim nationalen CO2-Preis für die mittelständischen Industrieunternehmen auf dem vernünftigsten, effizientesten und schnellsten Weg zu erreichen, muss das gesamte produzierende Gewerbe schnellstmöglich von einem überwiegenden Teil der rein nationalen CO2-Kosten entlastet werden. Diese betragen bei Erdgas aktuell 0,6 Cent/kWh.
• Netzentgelte und Umlagen bei Strom und Gas mindestens anteilig aus dem Bundeshaushalt finanzieren
Ein Teil der Netzentgelte und der sonstigen Umlagen bei Strom und Gas sollte durch den Bundeshaushalt übernommen werden. Eine Teilfinanzierung der Stromnetzentgelte aus dem Bundeshaushalt wurde im Zusammenhang mit der Diskussion um den Kohleausstieg von der Politik bereits zugesagt. Insbesondere Umlagen beim Gas, die der Aufrechterhaltung und Stabilisierung des Gasmarktes in Deutschland dienen, sind im Interesse der gesamten Gesellschaft und sollten daher aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.
• Krisenbeihilferahmen der EU-Kommission vollständig nutzen und Krisenhilfen vereinfachen und verlängern
Die Bundesregierung muss die Spielräume des Krisenbeihilferahmens der EU-Kommission zur Entlastung von den hohen Erdgas- und Strompreisen vollumfänglich nutzen und das Antragsverfahren deutlich vereinfachen. So sollte die Bundesregierung auf die zusätzliche Hürde „3 Prozent Energiebeschaffungskosten“ verzichten und den vollen europarechtlich zulässigen Entlastungszeitraum nutzen. Gemeinsam mit der EU-Kommission muss die Bundesregierung dringend dafür sorgen, dass der Krisenbeihilferahmen über das Jahr 2022 hinaus verlängert und die Liste der entlastungsberechtigten Sektoren auf allen Beihilfestufen erweitert wird. Das Energiekostendämpfungsprogramm muss mit seiner Verlängerung deutlich vereinfacht werden, insbesondere müssen die Zugangsvoraussetzungen verbessert werden, indem die noch immer zu restriktive Berechnung des Betriebsverlustes (EBITDA) weiter abgesenkt wird und letztlich das EBIT zugrunde gelegt wird.
• Energieträgerwechsel ermöglichen und beschleunigen – Genehmigungsverfahren vereinfachen – heimische Ressourcen sicher nutzen
Viele Unternehmen versuchen derzeit kurzfristig von Erdgas auf andere, günstigere Energieträger zu wechseln (Fuel switch), stoßen aber derzeit noch auf bürokratische Hürden bei der Umsetzung solcher Vorhaben. Bund und Länder haben hier bereits Vereinfachungen auf den Weg gebracht, müssen jetzt aber gemeinsam dafür sorgen, dass die Genehmigungsbehörden die Spielräume auch zugunsten der Umsetzung von Vorhaben nutzen. Diese pragmatische Haltung muss dringend auch beim Ausbau der Stromnetze und der Erneuerbaren Energien genutzt werden. Für die Zukunft sollte intensiv und ergebnisoffen geprüft werden, ob sich nicht auch in Deutschland weitere erhebliche Erdgasmengen sicher fördern lassen.
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