Die Textilindustrie ist heute wie viele andere Industriezweige global stark vernetzt. Die Gewinnung von Rohstoffen, die Produktion von Textilien und die Weiterverarbeitung finden oftmals an voneinander getrennten Orten statt – so wie beispielsweise auch die Produktion von Unterhaltungselektronik oder Computern. Um die Energiebilanz und den Kohlendioxid-Ausstoß eines Produktes zu ermitteln, analysieren Experten heute deshalb den gesamten Lebenszyklus eines Produktes von der Gewinnung der Rohstoffe, über die Produktion und die Nutzung bis zur Entsorgung. Was die Textilproduktion betrifft, wird seit einigen Jahren aber immer wieder eine Zahl zitiert, der diese analytische Grundlage fehlt: Die weltweite Textilproduktion verursache größere Kohlendioxid-Emissionen als der Flug- und Schiffsverkehr zusammen – rund 1,2 Milliarden Tonnen CO2 gegenüber 1,1 Milliarden Tonnen bei Flugzeug und Schiff. Diesen plakativen Vergleich zog im Jahr 2017 eine britische Stiftung. Seither taucht diese Zahl in Veröffentlichungen ganz verschiedener Institutionen immer wieder auf. Doch hinkt dieser Vergleich aus mehreren Gründen. Zum einen vergleicht die Studie die gesamte textile Produktionskette vereinfachend mit dem bloßen Treibstoffverbrauch von Flugzeug und Schiff. Sinnvoller wäre ein Vergleich des gesamten Lebenszyklus’. Demnach müssten auch jene Kohlendioxid-Emissionen berücksichtigt werden, die bei der Herstellung der Flugzeuge und Schiffe beziehungsweise der Rohstoffgewinnung freigesetzt werden. Zum zweiten liegt der tatsächliche CO2-Ausstoß der Textil- und Lederproduktion nach Angaben der angesehenen Internationalen Energieagentur IEA in Paris bei jährlich rund 89 Millionen Tonnen und damit deutlich niedriger als die Schätzung der britischen Studie.
Völlig unberücksichtigt bleibt bei einem solchen Verrechnen und Vergleichen von CO2-Emissionen bislang, dass textile Werkstoffe zunehmend zu Energieeinsparungen in großem Stil beitragen. Technische Textilien haben sich als Werkstoff etabliert. Setzt man leichte Hochleistungstextilien statt Stahl oder Aluminium in Autos oder Flugzeugen ein, verringert sich deren Gewicht erheblich, was wiederum den Treibstoffverbrauch senkt. Eine vielversprechende Alternative sind Textilien auch im Bau – in Form von Textilbeton. Textilbetonbauteile sind deutlich leichter als herkömmlicher Stahlbeton, weshalb Konstruktionen schlanker ausgelegt werden können. Auch benötigt man wesentlich weniger Beton, weil Textilien nicht rosten und anders als Stahl nicht mit einer dicken Betonschicht vor Rost geschützt werden müssen. Da die Zementherstellung weltweit zu den größten Kohlendioxid-Emittenten zählt, ist die Nutzung von sparsamem Textilbeton ein großer Hebel, um den CO2-Ausstoß zu verringern.
Unbestritten ist, dass sich die Produktionsprozesse in der Textilindustrie genau wie in vielen anderen Branchen im Hinblick auf den Energieverbrauch noch weiter optimieren lassen, auch wenn in den vergangenen Jahren bereits durch die breite Einführung von Energiemanagementsystemen erhebliche Anstrengungen unternommen wurden. In Zeiten des Klimawandels ist das absolut notwendig. Einsparpotential bieten hier vor allem die Bereiche Strom und Wärme. Durch den konsequenten Einsatz von Wärmerückgewinnung, besonders effizienten Antrieben oder auch durch geschlossene Wasserkreisläufe werden bis zu 70 Prozent Energie gespart – und damit auch die CO2-Emissionen drastisch reduziert.
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