Das bringt das Fass zum Überlaufen!

Geplante CO2-Bepreisung gefährdet ausgerechnet mitteständische Industrie. Es geht um unsere Existenz!

15.11.2019

Die Welt-Gastkommentar von Ingeborg Neumann,
Präsidentin der deutschen Textil- und Modeindustrie

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Stell Dir vor, die mittelständische Industrie macht reihenweise dicht in Deutschland, und keinen interessiert´s! Der CO2-Bilanz Deutschland tut´s gut, keine einzige Maschine rattert mehr, keine Forschung mehr in Ressourcen sparende und CO2-reduzierte Produktion. Ist ja auch alles auf dem Weltmarkt zu haben, vielleicht nicht so klimafreundlich produziert und längst nicht mit so hoher Qualität und ständig verbessertem Knowhow. Exportweltmeister zu sein, ist sowie nicht sexy.

Stell Dir vor, das ist das Schicksal der mittelständischen Industrie in Deutschland. Etwa 10.000 deutsche Unternehmen mit rund einer Million Beschäftigten und etwa 200 Milliarden Euro Jahresumsatz gibt es nicht mehr. Auch die Textilindustrie ist weg. Keine Textilveredlung mehr, kein Vliesstoffproduktion, keine textilen Filter aus Deutschland mehr, um Abwässer und Luft zu reinigen, aus und vorbei mit einer klugen Kreislaufwirtschaft, für die Deutschland jahrelang Grundlagenforschung betrieben hat. Wenn es das ist, was die Bundesregierung mit ihrem Klimapaket 2030 erreichen wollte, dann wird sie das Ziel erreichen.

Der mit heißer Nadel gestrickte Gesetzentwurf von Union und SPD jedenfalls spricht diese Sprache. Mit zehn Euro mehr pro Tonne CO2 ab 2021 geht es los und das ist erst der Anfang.

Ein Beispiel aus einem Unternehmen in Sachsen mit 230 Mitarbeitern: Insgesamt wird das Klimapaket alles zusammengerechnet der Firma eine jährliche Zusatzbelastung von bis zu einer Million Euro kosten. Allein aus dem geplanten Brennstoffemissionshandelsgesetz, kurz BEHG, 50.000 Euro Mehrbelastung ab 2021 pro Jahr; eine Summe, die ab 2026 dann schätzungsweise schon auf 300.000 Euro mehr angewachsen sein wird. Dabei wollte die Bundesregierung doch eigentlich den Ausstoß von Klimagasen im Verkehr und in Gebäuden verteuern und nicht in der Industrie, wo der größte Teil der CO2-Emissionen schon durch den europäischen Emissionshandel abgedeckt ist.

Aber genau diese Verteuerung passiert jetzt mit dem geplanten nationalen Emissionshandel, der ausgerechnet die mittelständische Unternehmen trifft. Am Ende wird uns das unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit kosten. Es geht um unsere Existenz!

Dabei ist es gerade der innovative Mittelstand, den die Bundesregierung braucht, um ihren Klimaplan umzusetzen. Statt das in Sonntagsreden viel gepriesene Rückgrat der deutschen Wirtschaft, den Mittelstand, mitzunehmen, setzt die Bundesregierung zusätzlich zu den seit Jahren immer weiter steigenden Strompreisen noch einen dicken Brocken oben drauf. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz setzt, wie bereits die Erneuerbare-Energien-Umlage, eine neue Preisspirale in Gang mit nicht mehr tragbaren Mehrkosten für den produzierenden Mittelstand.

Das bringt das Fass zum Überlaufen! Um es klar zu sagen: Wir sind für Klimaschutz und tragen die Klimaziele der Bundesregierung mit. Das darf aber nicht dazu führen, dass der mittelständischen Industrie die Luft ausgeht, weil sich der Gesetzgeber im Dickicht zwischen EU- und nationalen Emissionshandel verheddert hat. Wenn das BEHG wie geplant im Schweinsgalopp ohne Änderungen durch den Bundestag gepeitscht wird, hat auch der geduldigste Mittelständler das Recht, einmal laut und deutlich die Frage zu stellen, wer die Klimawende denn nun bezahlen soll?

Umverteilung funktioniert nämlich nur, wenn es etwas zu verteilen gibt. Die Bundesregierung muss ihre klima- und energiepolitischen Entscheidungen mit Verstand und Augenmaß treffen. Deshalb ist es jetzt 5 vor 12, den Strickfehler im BEHG zu korrigieren. Ansonsten lacht der Rest der Welt über uns, weil wir offensichtlich kein Interesse mehr an einer innovativen mittelständischen Industrie in Deutschland haben.