Ein Vergleich der Simulation mit dem Experiment zeigt: die Automatisierung funktioniert. © DITF
Digitale Prozesskette durch Verfahrens- und Simulationsoptimierung, © DITF

Faserverstärkte Kunststoffe automatisiert flechten

Die Situation

Für die Industrie sind komplex geformte Bauteile aus faserverstärkten Kunststoffen (FVK), wie zum Beispiel Knotenstrukturen für Autokarosserien oder den Flugzeugbau, von großem Interesse. Ein dafür etabliertes Herstellungsverfahren ist das Umflechten von Kernen mit Radial- oder Axialflechtmaschinen.

Durch die Verwendung von Stehfäden wird das Geflecht strukturell verstärkt. Um hochfeste FVK-Bauteile so zu produzieren, dass sie ihre finale Kontur bereits durch die Geflechtsbildung erhalten, braucht es jedoch die richtigen Stehfadenspannungen. Zurzeit werden diese händisch über einen Federntausch vor dem Flechtprozess eingestellt. Für eine gute Qualität sowie eine effektive und kostengünstige Produktentwicklung, muss dieser Prozess jedoch genau, konstant und reproduzierfähig steuerbar sein. Die perfekten Einstellungen für individuelle Geflechte, erfordern zeit- und kostenintensive Versuche oder - wie in diesem Projekt - effektive Flechtsimulationen. 

Das Projekt

Am Institut wurden zwei wichtige Elemente für die neue Technologie entwickelt. Eines davon ist eine zuverlässig und genau arbeitende Stehfadenspannungseinheit für Flechtmaschinen. Die Spannungseinstellung für eine Radial-Flechtmaschine konnte für jeden einzelnen der 72 Stehfäden über Schrittmotoren, eine industrielle SPS-Steuerung und die eigens entwickelte Software “OptiBraid“ realisiert werden. Diese Lösung funktioniert bei allen Anwendungen, in denen Fadenspannungen eingestellt und lange gehalten werden müssen.

Das andere Element ist die innovative neue Prozesssimulation, die einerseits mittels kommerziell erhältlicher Finite-Elemente-(FE) Berechnungssoftware andererseits durch die selbst entwickelte Flechtsimulations-Software „Fast Analytical Virtual Braiding“ erfolgte. Es handelt sich hierbei um ein extrem effektiv arbeitendes mechanisch-analytisches Verfahren. Die Berechnungszeit für die Beispielgeflechte ist trotz ihrer Komplexität kürzer als die reale Herstellungsdauer. Mit der FE-Simulation konnte das notwendige Spannungsverhältnis zwischen Steh- und Drehflechtfaden ermittelt werden, um für einen komplexen Kern eine endkonturnahe Geflechtsbildung zu erreichen. In einem anschließenden ZIM-Projekt (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand - eine Fördervariante des BMWi) sollen noch fehlende Voraussetzungen für die effektive Simulation der geplanten Bauteile aus (Triaxial-)Geflechten entwickelt werden. 

Im Vorhaben entstand weiterhin ein Prüfverfahren, das die Reibung zwischen den Fäden für unterschiedliche Faden-Kreuzungswinkel misst. Diese sind wichtig für die Berechnungen in den Simulationen. Um Qualität und Winkel beim Flechtprozess online zu ermitteln, wurde eine „Live“ Flechtwinkelmessung mit einer neuen Polarisationskamera realisiert.

Der Nutzen für den Mittelstand

Die neuen Technologien können sowohl für Radial- als auch Axial-Flechtmaschinen in allen Bereichen der Faserverbundtechnik eingesetzt werden. Damit können leistungsfähige und leichte Produkte wirtschaftlich von KMU entwickelt und hergestellt werden. Die erarbeiteten Lösungen bilden die Basis für eine durchgängige digitale Prozesskette und für Anwendungen im Rahmen von Industrie 4.0.

Ansprechpartner

Hermann Finckh
Hermann.Finckh@ditf.de
+49 711 9340 401

Fördergeber

Finanzielle Förderung über das Forschungskuratorium Textil als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen (AiF) aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)" 19679 N.