Berlin: Die Einführung einer Erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) für Textilien wird die Textil- und Modebranche in den kommenden Jahren grundlegend verändern. Als Teil der EU-Abfallrahmenrichtlinie steht die Branche vor der Herausforderung, bis 2028 ein System zu entwickeln, das ökologische Wirksamkeit, Ressourcenschonung und praktikable Rücknahmestrukturen mit einem funktionierenden Marktumfeld vereint. Dabei sollen die Hersteller, die Textilien in der EU in den Verkehr bringen, künftig die Kosten für Sammlung, Sortierung und Recycling tragen. Außerdem müssen Hersteller künftig genaue Angaben über die Mengen der in Verkehr gebrachten Textilien machen.
Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie: „Herstellerverantwortung bedeutet nicht, dass wir nur zahlen, sondern dass wir mitreden und mitgestalten wollen, wenn es um transparente und zukunftsfähige Rücknahmesysteme geht. Unsere Branche kann aus der Erweiterten Herstellerverantwortung echte Kreisläufe schaffen – bürokratische und teure Strukturen brauchen wir dagegen nicht.“
Mit einer gemeinsamen Absichtserklärung wendet sich eine breite Verbände-Allianz an die in der Bundesregierung befassten Ministerien. Dazu gehören:
• Handelsverband Deutschland (HDE)
• Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. (textil+mode)
• BTE Bundesverband des Deutschen Textil-, Schuh- und Lederwareneinzelhandels e. V.
• Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie e. V. (BSI)
• GermanFashion Modeverband Deutschland e. V.
• Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V. (bevh)
Die Verbände sehen sich in der Verantwortung, die Ausgestaltung des Systems aktiv und federführend mitzugestalten. Dabei betonen sie die Notwendigkeit eines differen-zierten, branchenspezifischen Ansatzes:
Textilien unterscheiden sich in ihren Materialeigenschaften, Nutzungsphasen und Rücknahmewegen deutlich von anderen Stoffströmen, wie sie aus bisherigen EPR-Systemen bekannt sind.
In einem gemeinsamen Positionspapier haben die Verbände deshalb sechs zentrale Forderungen formuliert, die für die künftige Ausgestaltung eines nationalen EPR-Systems für Textilien maßgeblich sind:
1. Organisation des Systems
Die EPR-Organisation muss privatwirtschaftlich, wettbewerblich offen, ökologisch wirksam und zugleich effizient sowie bürokratiearm sein. Eine nicht gewinnorientierte und wettbewerbsneutrale Struktur ist anzustreben. Alle relevanten Akteure müssen gleichberechtigt eingebunden werden. Textile Materialströme erfordern spezifische Lösungen, die auch innovative Ansätze zulassen. Ziel ist eine faire und transparente Struktur mit klaren Zuständigkeiten und wirksamer Kontrolle von Trittbrettfahrern – auch aus Nicht-EU-Staaten. Eine europaweite Harmonisierung ist anzustreben.
2. Rolle des Gesetzgebers
Die nationale Umsetzung muss im engen Austausch mit der Industrie erfolgen. Der Gesetzgeber sollte sich auf Mindestanforderungen konzentrieren: zentrale Registerführung, Erfolgskontrollen, EU-Berichterstattung und Vollzug. Diese Aufgaben sind praxisnah und rechtssicher mit der Industrie abzustimmen. Eine regelmäßige Evaluierung der Regelungen ist verbindlich festzulegen.
3. Marktüberwachung
Eine konsequente Marktüberwachung ist essenziell, insbesondere gegenüber Drittstaaten. Ein System der Bevollmächtigten muss eingeführt und wirksam kontrolliert werden. Sanktionsmechanismen müssen auch ausländische Händler und Online-Marktplätze einbeziehen, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
4. Umweltziele und Ökomodulation
Neben Sammelquoten sind ökologische Produktanforderungen und eine europa-weit einheitliche, bürokratiearme Ökomodulation notwendig. Die ökologische Lenkungswirkung muss verbindlich und harmonisiert sein. Re-Commerce und Reparatur dürfen nicht durch das EPR-System behindert werden – sie stehen vor Recycling und Entsorgung.
5. Verbraucherinformation & -kommunikation
Die Finanzierung von Verbraucherkommunikation muss fair verteilt sein. Kampagnen sollen unter Einbezug aller Akteure entwickelt und durch politische Maßnahmen ergänzt werden. Transparenz bei der Verwendung der Lizenzgebühren ist zwingend erforderlich.
6. Sammlung & Recyclinginfrastruktur
Ein funktionierendes EPR-System braucht eine wirtschaftlich tragfähige Infrastruktur – national und europäisch. Freiwillige Sammlungen durch Hersteller und Handel müssen honoriert werden. Bestehende Strukturen sollen erhalten und weiterentwickelt werden, sofern sie ökologisch und ökonomisch sinnvoll sind. Einheitliche Compliance- und Transparenzanforderungen sind Voraussetzung, eine Be-vorzugung einzelner Akteure ist zu vermeiden.
In ihrer gemeinsame Absichtserklärung bringen die Verbände bringen zum Ausdruck, dass Industrie und Handel gemeinsam Verantwortung übernehmen und frühzeitig zu einer tragfähigen Lösung beitragen wollen. In einem nächsten Schritt sollen weitere relevante Akteure – insbesondere aus der Entsorgungs- und Verwertungswirtschaft – aktiv in den Prozess eingebunden werden. Ziel ist es, bestehende Unklarheiten und divergierende Positionen zu einer gemeinsamen Lösung zusammenzuführen.
Finden Sie hier weitere interessante Inhalte