Neue Lösungen für das Recycling von Carbonfaser-Kompositen

Weil sie leicht und strapazierfähig sind, werden carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) heute immer häufiger eingesetzt – vor allem in der Automobil- und Luftfahrtindustrie. Damit wird künftig zwangsläufig auch die Menge an CFK-Schrott wachsen. Noch fehlt es an Recyclingtechnologien, um die wertvollen Carbonfasern wiederzugewinnen. Doch inzwischen machen die deutschen Textilforschungsinstitute beachtliche Fortschritte. So könnten künftig Schimmelpilze das Recycling übernehmen.

28.02.2020

Die Nachfrage nach Carbonfasern steigt, weil vor allem im Bereich Leichtbau der Bedarf wächst. Für Elektroautos und energieeffiziente Fahrzeuge sind leichte Carbon-Komposite bald unverzichtbar. Denn diese sind nicht nur leicht, sondern auch ausgesprochen robust. Künftig werden noch viele andere neue Anwendungen hinzukommen, für die diese High-Performance-Materialien benötigt werden. Wurden im Jahr 2017 weltweit noch rund 74 000 Tonnen Carbonfasern gefertigt, so dürften es nach Einschätzung von Experten 2022 bereits 120 000 Tonnen sein.

Ein ungelöstes Problem ist bislang das Recycling der Carbon-Komposite beziehungsweise die Wiedergewinnung der wertvollen Fasern. Fachleute rechnen damit, dass in spätestens zehn bis 15 Jahren in großem Umfang Abfälle anfallen werden, wenn die heutigen Produkte das Ende ihrer Lebenszeit erreicht haben werden – etwa die Carbon-Karosserie des BMW i3 oder der Rumpf und die Tragflächen des Airbus A350 oder die Rotorflügel einer Windkraftanlage. Noch fehlt es an Recyclingtechnologien von industrieller Dimension.

Wachsender Recycling-Markt

Doch dieser Mangel an großskaligen Recyclinglösungen ist auch eine Chance. Wer das entsprechende Recycling-Know-how schnell zur Anwendungsreife bringt, kann sich einen interessanten Markt erschließen. So wird allein das Potential für die Vermarktung von Faserverschnittresten aus der Komposit-Herstellung in Europa auf mehr als 300 Millionen Euro geschätzt – bei einem Marktpreis von 20 Euro pro Kilo. Hinzu kämen die Fasern aus recycelten Kompositen.

Fasern zu Organoblechen aufschichten

Doch es tut sich etwas. Die deutsche Textilforschung hat zuletzt einige interessante Technologien entwickelt, die künftig für das kommerzielle Carbonfaser-Recycling genutzt werden könnten. Ein Problem bei der Nutzung von recycelten Carbon-Fasern (rCF) oder Faserverschnitt ist heute, dass diese in ganz verschiedenen Längen vorliegen. Die Herausforderung besteht darin, diese Faserbruchstücke zu einem neuen Komposit-Bauteil zu verarbeiten, das homogene Eigenschaften hat – insbesondere was die Stabilität angeht.

Am ITA konnte man dieses Problem lösen. Hier wurde ein Prozess entwickelt, in dem die Fasern mit Papier- und Vliesschichten kombiniert werden. Die Schichtfolge kann flexibel an unterschiedliche Faserlängen angepasst werden, sodass 97 Prozent der vorgelegten rCF zu sogenannten Organoblechen mit durchgehend homogenen mechanischen Eigenschaften verarbeitet werden können. Die Oberfläche dieser Organobleche kann man wie die von Metallblechen veredeln und anschließend weiterverarbeiten.

Beliebig formbare rCF-Tapes

Am DITF wiederum ist es gelungen, rCF so mit Polyamidfasern zu kombinieren, dass sich Vliesbänder, sogenannte Tapes erzeugen lassen, die sich dann mit einer Tape-Webmaschine zu größeren Elementen und Bauteilen weiterverarbeiten lassen. Der Vorteil der Kombination mit Polyamid besteht darin, dass sich die Bauteile erwärmen und dann plastisch zu beliebigen Bauteilgeometrien verformen lassen. Bei dem Verfahren werden die rCF in Stapeln zusammen mit den Polyamidfasern abgelegt, sodass Lagen entstehen, in denen die Fasern sauber ausgerichtet sind. Wenn die fertigen Tapes erhitzt werden, schmilzt der Kunststoff auf. Presst man das Tape in die Form, dann können die rCF im Kunststoff gleiten, wobei die Orientierung erhalten bleibt.

In dem Projekt hatten die Experten zunächst einige grundlegende Probleme zu lösen. Zunächst mussten sie eine Anlage aufbauen, mit der sich eine saubere Faserorientierung und Streckung der Faserbänder erreichen lässt. Dann haben die Wissenschaftler untersucht, mit welchen formgebenden Werkzeugen sich die Tapes plastisch verformen lassen. Geklärt wurde auch die Frage, wie man das Faserband optimal erwärmt, um Halbzeuge mit hochorientierten rCF zu erhalten. Jetzt ist das Verfahren soweit ausgereift, dass sich komplexe Geometrien im Thermoform-oder Tapelegeverfahren ohne zusätzlichen Drapieraufwand realisieren lassen.

Gezielte Oberflächenbehandlung

Noch nicht abgeschlossen ist ein Projekt am ITV, dass sich mit der Oberflächenbehandlung von rCF befasst. In der Regel muss man die Oberfläche von Carbonfasern modifizieren, ehe diese mit einem Matrixwerkstoff umhüllt werden. Oftmals wird dazu eine Oberflächenbeschichtung, die Schlichte, aufgetragen. Diese erleichtert zum einen das Verarbeiten der Fasern auf den Maschinen, etwa, indem sie das Gleitverhalten der Fasern optimiert. Zum anderen verbessert sie die Haftung zwischen der Faser und dem Matrixmaterial. Am ITV wird jetzt ein Verfahren entwickelt mit dem sich rCF-Fasern ganz unterschiedlicher Länge maschinell mit Schlichte umhüllen und so gezielt für verschiedene Einsatzzwecke funktionalisieren lassen. Im Fokus steht hier eine Kombination von rCF mit Polypropylen als Matrixwerkstoff, der häufig zum Einsatz kommt.

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Pilze wachsen auf CFK und befreien diese vom umgebenden Kunststoff. © Hohenstein Institut für Textilinnovation

Schimmelpilze legen Fasern frei

Während diese drei Projekte bei der Verarbeitung bereits vorliegender rCF beginnen, geht man an den Hohenstein-Instituten die Aufbereitung von Carbon-Composite-Abfällen an. Dort wird ein biotechnologisches Verfahren entwickelt, bei dem Pilze den Kunststoffanteil der Composite, die Matrix, verdauen. So werden die Fasern auf sanfte Weise freigelegt. Eine solche Methode fehlt bislang. Bislang können Matrixverbundstoffe keiner Fasertrennung oder Wiederverwertung zugeführt werden. Zwar werden heute schon Recyclingverfahren genutzt, jedoch existiert derzeit noch keine optimale Wiederverwertungsroute für die Faserverbundwerkstoffe. Die Biotechnologie könnte ein Ausweg sein. Pilze verfügen über vielfältige biologische Abbaumechanismen für Kunststoffe. An den Hohenstein-Instituten werden die Schimmelpilze der Gattungen Aspergillus, Cladosporium und Chaetomium daraufhin untersucht, wie gut sie etwa Epoxide abbauen können. Nach ersten Testreihen, in denen sich gezeigt hat, welche Pilze Kunststoffe gut abbauen, soll das Prinzip jetzt in Versuchsanlagen überführt werden.