Bündnis Faire Energiewende: Herr Engelhardt, die im Bündnis Faire Energiewende zusammengeschlossenen mittelständischen Industriebranchen haben klare Erwartungen an die neue Bundesregierung, was die Energiepolitik angeht. Was steht für Sie an erster Stelle?
Michael Engelhardt: Wir sind rund 10.000 mittelständische Unternehmen mit rund einer Million Beschäftigten. Wenn die nächste Bundesregierung will, dass wir in Deutschland noch Textilien, Porzellan, Kautschuk- oder Feuerfestprodukte herstellen und dass es noch Textilveredler, Stahl- und Metallverarbeiter, Gießereien, Kunststoffverarbeiter und Feuerverzinker gibt, dann brauchen wir bezahlbare Energiepreise. Wir stehen zu den Klimazielen der Bundesregierung. Aber solange es nicht genügend grünen Strom oder grünen Wasserstoff zu bezahlbaren Preisen gibt, sind die Hersteller auf fossile Brennstoffe wie Erdgas angewiesen. Dafür werden sie vom Gesetzgeber zur Kasse gebeten mit CO2-Abgaben, die keiner ihrer Mitkonkurrenten auf dem Weltmarkt zu zahlen hat. Das ist eine untragbare, einseitige Belastung. Kein Unternehmen kann so auf Dauer noch wettbewerbsfähig sein mit der Folge, dass Produktion ins Ausland verlagert wird. Das hilft dem Klima nicht und kostet uns in Deutschland Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Dabei brauchen wir die mittelständische Industrie, um unsere Wirtschaft klimaneutral zu machen.
Bündnis Faire Energiewende: Welchen Weg schlagen Sie vor?
Michael Engelhardt: Wir brauchen für die Übergangszeit wirksame Ausgleichsmechanismen, die aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Denn es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, unsere Wirtschaft klimaneutral umzubauen. Alleine kann es die Wirtschaft unter dem Druck des internationalen Wettbewerbs nicht schaffen. Gerade die mittelständische Industrie hat die Innovationen und Zukunftslösungen, die wir für eine Transformation benötigen. Nehmen wir beispielsweise technische Textilien, ein Feld, auf dem wir Weltmarktführer sind. Solche Textilien stecken in Rotorblättern von Windkraftanlagen, in Luft- und Wasserfiltern, in Textilbeton für ressourcenschonendes Bauen oder in Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Was lernen wir daraus: Wir müssen in der Lage sein, solche Spezialtextilien auch in Zukunft noch in Deutschland herzustellen. Und wir können noch viel mehr Innovationen, wir können biobasierte Stoffe herstellen, kompostierbare und trotzdem langlebige Garne, Spezialtextilien, die Leben retten. Das alles ist nur möglich, wenn die nächste Bundesregierung den Unternehmen die Möglichkeit gibt, in die Zukunft zu investieren. Das gilt für alle Branchen, die sich im Bündnis Faire Energiewende zusammengetan haben. Wenn Sie unsere Unternehmerstories lesen, wird Ihnen klar, was für spannende mittelständische Industrieunternehmen wir in Deutschland haben, viele von ihnen Familienunternehmen in dritter oder vierter Generation.
Bündnis Faire Energiewende: Das Bündnis Faire Energiewende wirft der Bundesregierung vor, die mittelständische Industrie im Stich gelassen zu haben. Können Sie in wenigen Sätzen erklären, warum?
Michael Engelhardt: Das ist ganz einfach. Die Große Koalition hatte der mittelständischen Industrie versprochen, dass die nationale CO2-Bepreisung nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen wird. Das Gegenteil ist aber passiert. Was die Bundesregierung beschlossen hat, kam zu spät, ist zu wenig und viel zu kompliziert. Es zeigt beispielhaft, dass jede Regierung die Beschlüsse, die sie zur CO2-Bepreisung fasst, immer vom Ende her denken muss. Das ist das große Kunststück, das der nächste Koalitionsvertrag leisten muss. Es ist nämlich ganz einfach zu sagen: Wir wollen CO2-neutral werden. Aber der Weg dorthin ist komplex und muss mit all seinen Wirkungen und Nebenwirkungen durchdacht und dann beschritten werden. Wir beteiligen uns an dieser Diskussion mit einem Positionspapier, in dem wir aufzeigen, was die mittelständischen Industriebranchen brauchen, um ihren Beitrag zu einer wirksamen Klimapolitik zu leisten.
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