Die Rolle von Online-Plattformen für die deutsche Textil- und Modeindustrie

Hersteller-Befragung des Gesamtverbandes textil+mode zum Thema Online-Plattformen

01.11.2016

Ob soziale Netzwerke oder klassische Verkaufsplattformen - Online-Plattformen spielen für den E-Commerce eine immer wichtiger werdende Rolle. Dies gilt auch für die deutsche Textil- und Modeindustrie. Zu diesem Ergebnis kommt die Hersteller-Befragung des Gesamtverbandes textil+mode. Über 100 deutsche Textil- und Modehersteller wurden im Herbst 2016 über ihre Geschäftserfahrungen mit den Online-Plattformen sowie über die wirtschaftliche Bedeutung der Plattformen für sie befragt:

"Vertrieb über Plattformen wird zunehmen"

Rund die Hälfte der Befragten vertreiben ihre Produkte regelmäßig über Online-Plattformen. Dabei geben über 80 % von ihnen an, dass der Anteil am Gesamtumsatz, den das Unternehmen über Plattformen erwirtschaftet, sich in den nächsten Jahren signifikant erhöhen wird.

"Geschäftsbedingungen der Plattformen sind überwiegend unangemessen"

Völlig reibungslos ist die Beziehung zu den Plattformen aber nicht. Mehr als die Hälfte der Befragten, die in Geschäftsbeziehungen zu den Plattformen stehen, bewerten deren AGB überwiegend als unangemessen. Jeder Dritte ist dabei der Auffassung, dass die AGB überwiegend intransparent, also nicht ausreichend klar und verständlich formuliert sind.

"Alternative Streitbeilegungsmechanismen erwünscht"

Gerichtsverfahren sind teuer, langwierig und risikobehaftet. Dies gilt erst recht, wenn der Vertragspartner, wie häufig im Falle von Online-Plattformen, nicht in Deutschland sitzt. Außergerichtliche Streitbeilegungsmechanismen können insoweit eine kosten- und zeitsparende Alternative zu den gerichtlichen Verfahren darstellen. So sehen es auch die befragten Unternehmen: 84 % würden im Falle einer Streitigkeit mit den Plattformen die außergerichtliche bzw. alternative Streitbeilegung vorziehen.

Entsprechende praxisgerechte Streitbeilegungsmechanismen fehlen aber bislang. Hier besteht also noch Handlungsbedarf.

"Marken- und Produktpiraterie: Mehr Verantwortung für Plattformen"

Mit der zunehmenden Digitalisierung wächst auch die Marken- und Produktpiraterie. Vorbei sind die Zeiten der klassischen "Schwarzmärkte". Ein Großteil der gefälschten und nachgeahmten Produkte wird heutzutage online vertrieben. Besonders betroffen sind Online-Plattformen. So gibt jedes 8. der befragten Unternehmen an, Opfer von Marken- und Produktpiraterie auf Plattformen zu sein. Knapp die Hälfte der betroffenen Hersteller sind KMU (46 %). Doch Plattformenbetreiber wie Amazon genießen nach der derzeitigen Rechtslage eine weitgehende Haftungsbefreiung für Verkäufe gefälschter Produkte über ihre Plattformen. Insbesondere sind sie nicht verpflichtet, proaktive Maßnahmen zur Ermittlung und Entfernung rechtswidriger Angebote umzusetzen. Und das, obwohl sie letztlich für jede Transaktion vergütet werden. Eine solche pauschale Privilegierung wäre im stationären Handel undenkbar.

Vor diesem Hintergrund fordern 79% aller Befragten, dass diese wettbewerbsverzerrende Ungleichbehandlung eingestellt wird und die Plattformen in zumutbarer Weise ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie wünschen sich daher von der Politik, dass die Plattformen gesetzlich verpflichtet werden, rechtswidrige Angebote durch proaktive Maßnahmen zu ermitteln und zu entfernen.

Schon gewusst?

Gefälschte und nachgeahmte Produkte können nicht nur für Verbraucherinnen und Verbraucher gefährlich sein, sondern auch Arbeitsplätze und die Existenz vieler Unternehmen gefährden. Nach Schätzung des Europäischen Amtes für Geistiges Eigentum (EUIPO) verlieren europäische Textil- und Modehersteller jedes Jahr Einnahmen von über 26 Mrd. Euro. Dies entspricht dem Bruttoinlandsprodukt Lettlands. Werden darüber hinaus die Einnahmenverluste für die Händler und staatliche Haushalte berücksichtigt, liegen die wirtschaftlichen Kosten bei über 43 Mrd. Euro pro Jahr.

Die Studie des EUIPO finden Sie hier