Die Situation
In der orthopädischen Chirurgie sind große Knochendefekte bis heute ein zentrales Problem, für das bisher noch kein optimaler Lösungsansatz existiert.
Eine Behandlungsstrategie besteht im Einsatz eines Knochencages (Käfig) aus Titan, der als eine Art Korbstruktur körpereigene Knochenspäne und Knochenersatzmaterial aufnimmt, um die lokale Regeneration zu fördern. Das Element wird nach erfolgreicher Behandlung in einem weiteren Behandlungsschritt explantiert.
Unmittelbar damit sind negative Konsequenzen verbunden. Die Lebensqualität der Patienten sinkt aufgrund mehrfacher Eingriffe. Zudem führen die spätere Mobilisierung und der damit verbundene spätere Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt zu immensen indirekten Kosten.
Das Projekt
Im IGF-Forschungsprojekt „MagCage“ wurde als Alternative dazu und mit Blick auf die Behandlung von Defekten von großen Röhrenknochen ein resorbierbarer, textiler und tubulärer Knochencage aus Magnesiumdraht entwickelt, der die beschriebenen Defizite eleminieren soll. Die prototypisch hergestellten Knochencages aus Magnesium wurden auf Schlüsseleigenschaften wie zum Beispiel radiale Festigkeit evaluiert.
Im Rahmen von Degradationsversuchen mit oberflächenbehandelten und unbehandelten Magnesiumdrähten konnte in einem nächsten Schritt der Einfluss der Oberfläche auf das Degradationsverhalten des Materials ermittelt werden. Im Anschluss legte sich das Aachener Forscherteam auf das für die Herstellung am besten geeignete textile Verfahren fest.
Schlussendlich entstand ein Leitfaden, der die gewonnenen Erkenntnisse für die Auslegung textiler Magnesiumdrahtimplantate zusammenfasst.
Der Nutzen für den Mittelstand
Die Wertschöpfung bei der textilen Implantatherstellung ist vierstufig:
- Legierungshersteller,
- Drahthersteller,
- Herstellung der textilen Struktur (des Halbzeugs),
- Veredelung und Vermarktung.
Von den Projektergebnissen profitieren KMU entlang der gesamten Prozesskette, deren Nutzen klar unterteilt werden kann: Legierungs- und Drahthersteller profitieren direkt von den Projektergebnissen durch Öffnung eines Nischenmarktes.
Deutsche KMU suchen nach Absatzmärkten in genau solchen Hightech-Industrien wie der Medizintechnik, da sie hier durch Qualitätsdifferenzierung oftmals international Wettbewerbsvorteile haben.
Aufgrund des hohen Innovationsniveaus resorbierbarer Metalle und des Qualitätsanspruchs an medizinische Halbzeuge können außerdem hohe Preise für die Drähte erzielt werden. Der Markt für Magnesiumdrähte ist zurzeit noch nicht sehr stark ausgeprägt, was es gerade KMU ermöglicht, sich ohne starken Wettbewerb als Vorreiter zu positionieren.
Durch die Etablierung der textilen Verarbeitung von Magnesiumdraht in der Medizintechnik könnte dieses Halbzeug auch in weiteren drahtbasierten Medizinprodukten adaptiert werden, wie von Drähten zur Fixation von Knochenfragmenten oder Stents.
Hersteller von textilen Strukturen sowie Textilmaschinenhersteller können ein weiteres Geschäftsfeld etablieren, indem sie als Zulieferer für die Medizintechnikbranche fungieren.
Maschinenhersteller können das im Projekt erarbeitete Know-How nutzen, um speziell an die Verarbeitung von Magnesiumdraht angepasste Produkte zu entwickeln. Auf Basis des im Projekt erstellten Leitfadens können Textilhersteller gemeinsam mit Implantatherstellern weitere textile Produkte aus Magnesiumdraht entwickeln, darunter Stents oder Scaffolds für die Regeneration von Knorpel- und Knochengewebe. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit der Partizipation im stetig wachsenden Markt der resorbierbaren Implantate.
Kleinen und spezialisierten Implantatherstellern wiederum kann es gelingen, durch diese disruptive Technologie Marktanteile hinzugewinnen. Die Ergebnisse dieses Projekts dienen den Firmen als Grundlage für den Einstieg in den Markt resorbierbarer orthopädischer Implantate.
Implantathersteller können die Ergebnisse zur geometrischen Auslegung der Textilstruktur zur Reduzierung aufwändiger Versuchsreihen nutzen. Dies senkt Entwicklungskosten und führt zu neuen Geschäftsfeldern.
Ansprechpartner
Tim Bolle
tim.bolle@ita.rwth-aachen.de
+49 241 80 23455
Fördergeber
Finanzielle Förderung über das Forschungskuratorium Textil als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen (AiF) aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Programms zur Förderung der "Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)" mit der Projektnummer 18880 N.